Samstag, 27. Juli 2013

Outreach an Kenias Südküste


Der zweite Outreach Visit führte uns diese Woche in die Küstenregion südlich von Mombasa. Zusammen mit einem Frauen- und einem Kinderarzt machten wir uns Montagmorgen auf den Weg nach Ukunda. Diesmal mit einem Charterflug. Die Maschine war kleiner als die von AMREF, der Flug dauerte doppelt so lange wie erwartet und die Landung war noch turbulenter als die in Berega. Irgendwann hatten wir aber wieder festen Boden unter den Füßen und atmeten die frische Seeluft des indischen Ozeans ein. Der Flugplatz in Ukunda liegt direkt neben Diani Beach, einem der größten Touristenziele Kenias: Beach Resorts und Bars ohne Ende, Kokospalmen wohin man blickt, tiefblaues Meer und weißer Sandstrand. So scheint es einem umso absurder, dass nur wenige Kilometer entfernt nur noch wenig von diesem Paradies zu sehen ist; stattdessen stellt sich die Armut in Lehmhütten, barfüßigen Menschen und staubigen ungeteerten Straßen dar.

Vom Flugplatz ging es für Frauenarzt Dr. Masila, Julius und mich erstmal Richtung Landesinneres. Dabei durchquerten wir das Naturschutzgebiet Shimba Hills, das Städtchen Kwale und gelangten schließlich in den kleinen Ort Kinango. Vom Krankenhaus wurden wir zu unserer Unterkunft geführt. Die Beste, die es in Kinango gibt, wie uns versichert wurde. Nachdem wir skeptisch über den Bauschutt am Eingang stapften, um die Zimmer zu inspizieren, stellte sich das „Comfort Zone Guest House“ als durchaus akzeptabel heraus. Die Zimmer waren sauber, mit eigener Nasszelle (Badezimmer wäre dann doch übertrieben), Bett und Moskitonetz ausgestattet. Wie sieht es mit Sicherheit aus? – It’s safe. Und der Preis? 350 Schilling pro Nacht, schlappe 3€. Also bezogen wir unser Quartier, nahmen unseren Lunch ein (im besten Café von Kinango, das uns empfohlen wurde) und machten uns dann an die Arbeit im Krankenhaus. Vorstellungsrunde, Kliniktour und Terminabsprache für den nächsten Morgen um unsere Umfrage durchzuführen. Dr. Masila erwartete ein großer Stapel an Patientenakten. Die letzte Patientin untersuchte er gegen 22.30h. In den Fluren der Klinik hatten einige bereits ihr Nachtlager aufgeschlagen, um auf Ihre Untersuchung oder Operation am nächsten Tag zu warten.

Die kleine aber sehr geschäftige Apotheke wird von zwei Apothekern geleitet. Auch hier wird die Lagerhaltung komplett manuell geführt und gewissenhaft viel Papier beschrieben. Vierteljährlich wird bei KEMSA, der staatlichen Agentur für Arzneimittelversorgung bestellt. Häufig vorkommende Engpässe werden mit lokalen Einkäufen überbrückt. Im Hauptlagerraum befindet sich eine große Pfütze mitten zwischen den Kartons. Woher diese kommt und wieso keiner sie wegmacht konnte mir keiner so genau erklären. Es schien aber auch nicht besonders zu stören. Hakuna matata. Gegen Mittag hatten wir dann in Kinango alles gesehen, was wir wollten und beschlossen uns auf den Weg nach Msambweni zu machen, wo Kinderarzt Dr. Machira drei Tage die Klinik unterstützte. Zurück durch die Shimba Hills und Ukunda Richtung Küste gelangten wir zum Distriktkrankenhaus, das keine fünf Minuten vom Meer entfernt ist. Die sich brechenden Wellen hörte man bis ins Büro des ärztlichen Direktors. Leider ist der Strand voller Algen und zum Schwimmen das Wasser nicht tief genug (ganz zu schweigen von den winterlichen Temperaturen, weswegen meine kenianischen Kollegen nicht mal die Füße ins Wasser halten wollten). Aber wir waren ja auch nicht zum Baden da. Wir vereinbarten wieder einen Termin mit dem Apotheker, der dann leider nicht erschien. Glücklicherweise war seine Vertretung bereit uns Rede und Antwort zu stehen. In Msambweni ist eine Software für AIDS-Medikamente im Einsatz. Leider ist diese allerdings darauf beschränkt und erfasst nichts keine anderen Arzneimittel oder Verbrauchsmaterialien. Der vorhandene Computer wird dementsprechend nur dafür genutzt. Und weil die Auflagen um den Computer und die Software zu erhalten umfassen, dass AIDS-Medikamente klimatisiert gelagert werden, gibt es für diese in einem der Lagerräume eine Klimaanlage. Für die Anschaffung weiterer Klimaanlagen und Bezahlung des Stroms steht kein Geld zur Verfügung. Also müssen die anderen Arzneimittel leider ohne auskommen. Das in den 90er Jahren eröffnete Krankenhaus mutet an, als würde es aus den 70ern stammen und seitdem sein Dasein fristen ohne dass je wieder etwas investiert wurde. Die Verwaltung arbeitet noch komplett ohne Computer, Rost und Schimmel tauchen bei unserem Rundgang immer mal wieder auf, Spezialisten gibt es keine, bis auf einen im Moment dort arbeitenden freiwilligen Orthopäden aus Europa.

Durch die neue Verfassung und Umorganisierung des Gesundheitssystems in Kenia werden den jetzt eigenständigen Counties vom Staat Gelder zur Verfügung gestellt, die dann hoffentlich zur Verbesserung der Strukturen eingesetzt werden. In den nächsten zwei Jahren wird sich einiges ändern, wurde mir mehrfach versichert. Man wünscht es sich wirklich.

Abschließend blieb uns sogar noch Zeit für einen Spaziergang am Strand von Diani Beach, einen Sundowner und ein paar Partien Billard in einer der Bars, die sich zu  gar nicht allzu später Stunde dann plötzlich mit älteren weißen Herren und hübschen knapp bekleideten jungen dunkelhäutigen Damen füllen, die nach und nach wieder verschwinden. Auch das gehört zum Paradies (leider) dazu.

Und so ging es am Donnerstag dann wieder Richtung Nairobi. Ganz entspannt kenianisch erschienen wir aus verschiedenen Gründen erst fünfzehn Minuten vor Abflug bei strömendem Regen am Flughafen, in der Überzeugung, dass die kleine Propellermaschine bei diesem Wetter nicht abheben würde. Aus den Wolken tauchte plötzlich aber doch ein Flieger auf und platschte auf die Landebahn. Passagiere raus, Passagiere rein („Wie ein Matatu…“, meinte Julius) und schon hob er wieder ab. Der Flug war nicht halb so turbulent wie befürchtet, die Flugzeit nur eine Stunde, wie erwartet. Und schon hatte Nairobi uns wieder. Die restlichen Tage versprechen genauso so ereignisreich zu werden wie die Wochen zuvor mit diversen Meetings, Terminen, der Auswertung unserer bisherigen Fragebögen und der Planung des weiteren Vorgehens.
Outreach an Kenias Südküste

Samstag, 20. Juli 2013

Outreach in Tansania

Nach einer Woche in der Großstadt ging es am Montagmorgen mit den AMREF Ärzten in Tansanias Hinterland. Wir trafen uns um 7 Uhr am Wilson Airport in Nairobi. Der Check-In war schnell erledigt, nur leider waren die Beamten der Passkontrolle nirgendswo aufzufinden, wodurch sich unser Abflug etwas verzögerte. Die AMREF Maschine war schon am Vortag mit den Medikamenten und Materialien für die Ärzte beladen worden. Wir stiegen ein, der Propeller fing an sich zu drehen und schon waren wir in der Luft. Ein ganz anderes Flugerlebnis, direkt hinter dem Piloten zu sitzen und freie Sicht in alle Richtungen zu haben. Die ersten Minuten flogen wir so niedrig, dass ich noch gut die Tiere im Nairobi National Park beobachten konnte. Weiter ging es gen Süden  Richtung tansanische Grenze. Nicht weit vom Kilimanjaro überquerten wir sie und landeten kurz darauf in Moshi zwischen, um weitere Ärzte (Gynäkologen und Urologen standen dieses Mal auf dem Programm) einzusammeln. Von Moshi ging es weiter Richtung Landesmitte. Nach einer guten Stunde näherten uns den Bergen und trudelten dann unter leichten Turbulenzen auf der Landebahn (oder auch Buckelpiste) in Berega ein, wo die ersten Ärzte wieder ausstiegen. Zwanzig Minuten später erreichten wir dann unseren Zielort Turiani. Zur groben Orientierung: irgendwo zwischen Dodoma und Daressalaam. Das Turiani Hospital ist ein sogenanntes „missionary hospital“ und gehört der katholischen Kirche. Es hat 180 Betten, zwei OPs, medizinische und chirurgische Stationen, jeweils nach Männern, Frauen und Kindern getrennt sowie eine Geburtsstation. Im Mittelpunkt unseres Interesses stand allerdings die Apotheke. Nach Unterbringung im Gästehaus der Klinik, einem afrikanischen Tee und der Kliniktour trafen wir Schwester Innosentia, eine PTA und unsere Ansprechpartnerin. Apotheker gibt es keine. Sie führte uns durch das gut organisierte und klimatisierte Lager und beantwortete anschließend geduldig die von uns gestellten Fragen zu Lagerhaltung, Bestellwesen und Schulungsbedarf des Personals. Computer sind zwar vorhanden, Computerkenntnisse aber eher rudimentär. Bestände werden wie auch bisher bei AMREF über Bin Cards manuell geführt und Bestellungen anhand dieser quartalsweise getätigt. Kirchlich Krankenhäuser können, sofern das nötige Geld vorhanden ist, auch noch andere Lieferanten als die staatliche Agentur nutzen, die meist zuverlässiger in ihren Lieferungen sind.

Um einen Vergleich zu einem staatlichen Krankenhaus zu haben fuhren wir am nächsten Tag ins zwei Stunden entfernte, idyllisch am Fuß der Berge gelegene,  Morogoro und besuchten das dortige „Regional Referral Hospital“ mit 350 Betten. Wie mir schon von mehreren Leuten zugetragen wurde, sind die staatlichen Kliniken in Tansania häufig schlechter organisiert als die kirchlichen. Morogoro arbeitet ganz ohne Computer und kämpft in der Apotheke gegen ständige Lieferengpässe der staatlichen Versorgungsagentur MSD (Medical Supplies Department). Es gibt hier sogar zwei Apotheker, der Fachkräftemangel im Land ist allerdings enorm. Neben mangelndem Nachwuchs generell wollen die meisten fertig Studierten lieber ihren eigenen kleinen „Laden“ aufmachen und Medikamente verkaufen, statt einen schlecht bezahlten Job im Krankenhaus, sei es staatlich, kirchlich oder privat (aufgrund unendlicher Arbeitszeiten am unbeliebtesten) anzunehmen.

Weitere Informationen und Eindrücke bekamen wir dann auch noch in Berega, einem missionary hospital der anglikanischen Kirche, das ebenfalls Teil des AMREF Outreach Programmes ist. Mit 120 Betten etwas kleiner, dafür mit eigener Krankenpflegeschule (eine Klasse mit 17 Schülerinnen und Schülern befindet sich zurzeit in der Ausbildung), einem angeschlossenen Camp für Familienangehörige der Patienten und einer „Infusion Unit“, wo demnächst wieder eigene Infusionen hergestellt werden sollen. Dies ist kostengünstiger und vermeidet den schwierigen Transport in entlegene Gebiete. Die Apotheke war zwar groß, das Lager ziemlich chaotisch, die Dokumentation dafür aber wieder ziemlich gen und der zuständige Pharmacy Assistant auf jeden Fall ziemlich bemüht. Es gibt viel Arbeit in den Outreach Kliniken und viele Unterschiede zwischen Kenia und Tansania sowie auch zwischen kirchlichen und staatlichen Einrichtungen.

So ging die Woche mit vielen neuen Informationen und Eindrücken wahnsinnig schnell um. Schon standen wir wieder auf dem Feld und warteten auf unseren Flieger. Und nach einem Wochenende in Nairobi geht es am Montag direkt weiter zum nächsten Outreach an Kenias  Küste, um weitere Kliniken zu besichtigen.
Outreach in Tansania

Sonntag, 14. Juli 2013

Meetings, meetings, meetings...


… so ging die erste Woche hier herum: Besuche beim Gesundheitsministerium, Termine bei der staatlichen Agentur für Arzneimittelversorgung, Treffen mit unseren beiden Hauptlieferanten und was sonst noch so anfällt an Besprechungen zwischendurch zur Software, zu den geplanten Reisen zu den nächsten Schritten im Projekt. Die Tage waren gut gefüllt, wozu auch der immer wieder unberechenbare Verkehr in Nairobi seinen Teil beiträgt. So verbringt man schon mal eine Dreiviertelstunde im Stau für eine Strecke, die man in 15 Minuten auch gemütlich laufen könnte.




auf Station



in OP Kleidung
im OP
Zwischen all den Meetings hatte ich auch die Gelegenheit mir das gerade stattfindende „VVF Camp“ im Kenyatta Hospital anzusehen. Es gehört ebenfalls zum Outreach Programm und bietet Frauen aus dem ganzen Land die Möglichkeit, sich kostenlos operieren zu lassen. Vesiculo-vaginale Fisteln (VVF) und auch rektal-vaginale Fisteln (RVF) sind in Kenia leider immer noch sehr häufig und bedeuten für die Frauen oft eine Ausgrenzung aus Gesellschaft oder sogar aus ihrer Familie. Viele ertragen ihr Schicksal jahrelang, werden von ihren Männern  und auch Familien verstoßen und versuchen ihr Stigma so gut es geht zu verstecken. Teilweise wissen sie nicht, dass ihr Problem mit einer Operation behoben werden kann. So wurde das Camp landesweit über Radio angekündigt, um möglichst viele Frauen zu erreichen. In zwei Wochen wurden gut 100 Patientinnen operiert, weitere stehen auf der Warteliste und werden in den nächsten Wochen einbestellt. Ein Besuch auf der Station zur Nachsorge bietet ein gewöhnungsbedürftiges Bild: teilweise liegen zwei Frauen in einem Bett und auf dem Boden sind Matratzen ausgebreitet. Der Platz reicht sonst eben nicht für alle aus. Teilhaben durfte ich dann auch an einer Operation, um mit eigenen Augen zu sehen, wie die von AoG gekauften Instrumente und Nahtmaterialien eingesetzt werden. So eine Gelegenheit hat man ja nicht alle Tage.
 
Bei meinen Besuchen im Ministerium wurde ich auf Schilder mit der Aufschrift: „Corruption Free Zone“ aufmerksam. Schade, dass gleich am nächsten Tag die ernüchternde Schlagzeile in den Zeitungen stand: Kenia ist laut einer neuen Studie von Transparency International das viertkorrupteste Land der Welt (nach Sierra Leone, Liberia und dem Jemen). Schon erschreckend. Die Kenianer nehmen es mit Humor. Im Radio hieß es, dass sogar Männer ihre Frauen bestechen damit sie bei ihnen bleiben. Wenn das nicht bedenklich ist…


Außerdem war diese Woche am Dienstag auch noch Beginn des Ramadans. Tagsüber bekomme ich wenig davon mit. Da ich aber direkt neben einer Moschee wohne, beobachte ich am späten Nachmittag die Vorbereitungen zum Fastenbrechen und lausche bis spät den abendlichen Gebeten.

Nächste Woche geht es nun für fünf Tage mit dem Outreach nach Tansania. Das AMREF Flugzeug setzt uns am Montag ab und sammelt uns am Freitag wieder ein. Genügend Zeit also, sich ein Bild von den Outreach Kliniken in der Umgebung von Turiani zu machen.
 

Montag, 8. Juli 2013

Karibu tena in Nairobi

Mein neues altes Zuhaus
Nun bin ich nach mehr als vier Monaten nach meiner letzten Projektreise wieder gut in Nairobi gelandet und die Eingewöhnungszeit ist quasi nicht mehr erwähnenswert.
Am Flughafen wurde ich wieder von Frederick abgeholt, einem der Fahrer von AMREF.
Ich war vorher bereits mehrfach gewarnt worden, dass nun Winter ist in Nairobi und es wirklich kühl wird. Aber als Fred dann in Fleecejacke vor mir stand bei bewölktem Himmer und gut 20° musste ich kurz doch etwas schmunzeln und fragte mich gleichzeitig, ob ich meine 29kg Gepäck wirklich sinnvoll gepackt hatte. Ein paar Strickjacken sind auf jeden Fall dabei.

Mein erster Arbeitstag war dann auch ein fröhliches Wiedersehen mit vielen bekannten Gesichtern. 
Julius und Anne warm angezogen
beim Datenabgleich
Julius ist nun nach mehr als drei Monaten bei AMREF voll bei AMREF und in das Outreach Programm integriert. Er hat das Lagermanagement von Vorgängerin Anne übernommen, die in der nächsten Woche dann in den Funkraum wechselt. Letzte Woche gab es wieder eine Inventur, die als Anlass dient, die in der letzten Zeit parallel geführte Dokumentation (manuell und elektronisch) zu überprüfen. Wenn keine großen Differenzen auftreten kann endlich komplett auf die Software umgestellt werden. Die Regale sind nach der letzten von AoG finanzierten Bestellung im Mai auch erstmal wieder gut gefüllt.


Nahtmaterialvorräte
Weiterhin hatte ich dann ein Meeting mit Dr. Asrat Mengiste, dem neuen Projektmanager des Outreach Programms. Ganz neu bei AMREF ist er allerdings nicht sondern bereits seit vielen Jahren als plastischer Chirurg im Outreach tätig. Für die nächsten Wochen stehen einige Dinge auf dem Programm, unter anderem werden Julius und ich zwei Outreach Visits in Kenia und Tansania mitmachen. Damit wird dann die zweite Phase unseres Projektes, nämlich die Ausweitung auf die Outreach Kliniken, eingeläutet.