Der zweite Outreach Visit führte uns diese Woche in die
Küstenregion südlich von Mombasa. Zusammen mit einem Frauen- und einem
Kinderarzt machten wir uns Montagmorgen auf den Weg nach Ukunda. Diesmal mit
einem Charterflug. Die Maschine war kleiner als die von AMREF, der Flug dauerte
doppelt so lange wie erwartet und die Landung war noch turbulenter als die in
Berega. Irgendwann hatten wir aber wieder festen Boden unter den Füßen und
atmeten die frische Seeluft des indischen Ozeans ein. Der Flugplatz in Ukunda
liegt direkt neben Diani Beach, einem der größten Touristenziele Kenias: Beach
Resorts und Bars ohne Ende, Kokospalmen wohin man blickt, tiefblaues Meer und
weißer Sandstrand. So scheint es einem umso absurder, dass nur wenige Kilometer
entfernt nur noch wenig von diesem Paradies zu sehen ist; stattdessen stellt
sich die Armut in Lehmhütten, barfüßigen Menschen und staubigen ungeteerten
Straßen dar.
Vom Flugplatz ging es für Frauenarzt Dr. Masila, Julius und
mich erstmal Richtung Landesinneres. Dabei durchquerten wir das
Naturschutzgebiet Shimba Hills, das Städtchen Kwale und gelangten schließlich
in den kleinen Ort Kinango. Vom Krankenhaus wurden wir zu unserer Unterkunft
geführt. Die Beste, die es in Kinango gibt, wie uns versichert wurde. Nachdem
wir skeptisch über den Bauschutt am Eingang stapften, um die Zimmer zu
inspizieren, stellte sich das „Comfort Zone Guest House“ als durchaus
akzeptabel heraus. Die Zimmer waren sauber, mit eigener Nasszelle (Badezimmer
wäre dann doch übertrieben), Bett und Moskitonetz ausgestattet. Wie sieht es
mit Sicherheit aus? – It’s safe. Und der Preis? 350 Schilling pro Nacht,
schlappe 3€. Also bezogen wir unser Quartier, nahmen unseren Lunch ein (im
besten Café von Kinango, das uns empfohlen wurde) und machten uns dann an die
Arbeit im Krankenhaus. Vorstellungsrunde, Kliniktour und Terminabsprache für
den nächsten Morgen um unsere Umfrage durchzuführen. Dr. Masila erwartete ein
großer Stapel an Patientenakten. Die letzte Patientin untersuchte er gegen
22.30h. In den Fluren der Klinik hatten einige bereits ihr Nachtlager
aufgeschlagen, um auf Ihre Untersuchung oder Operation am nächsten Tag zu
warten.
Die kleine aber sehr geschäftige Apotheke wird von zwei
Apothekern geleitet. Auch hier wird die Lagerhaltung komplett manuell geführt
und gewissenhaft viel Papier beschrieben. Vierteljährlich wird bei KEMSA, der
staatlichen Agentur für Arzneimittelversorgung bestellt. Häufig vorkommende
Engpässe werden mit lokalen Einkäufen überbrückt. Im Hauptlagerraum befindet
sich eine große Pfütze mitten zwischen den Kartons. Woher diese kommt und wieso
keiner sie wegmacht konnte mir keiner so genau erklären. Es schien aber auch
nicht besonders zu stören. Hakuna matata. Gegen Mittag hatten wir dann in
Kinango alles gesehen, was wir wollten und beschlossen uns auf den Weg nach
Msambweni zu machen, wo Kinderarzt Dr. Machira drei Tage die Klinik
unterstützte. Zurück durch die Shimba Hills und Ukunda Richtung Küste gelangten
wir zum Distriktkrankenhaus, das keine fünf Minuten vom Meer entfernt ist. Die
sich brechenden Wellen hörte man bis ins Büro des ärztlichen Direktors. Leider
ist der Strand voller Algen und zum Schwimmen das Wasser nicht tief genug (ganz
zu schweigen von den winterlichen Temperaturen, weswegen meine kenianischen
Kollegen nicht mal die Füße ins Wasser halten wollten). Aber wir waren ja auch
nicht zum Baden da. Wir vereinbarten wieder einen Termin mit dem Apotheker, der
dann leider nicht erschien. Glücklicherweise war seine Vertretung bereit uns
Rede und Antwort zu stehen. In Msambweni ist eine Software für AIDS-Medikamente
im Einsatz. Leider ist diese allerdings darauf beschränkt und erfasst nichts
keine anderen Arzneimittel oder Verbrauchsmaterialien. Der vorhandene Computer
wird dementsprechend nur dafür genutzt. Und weil die Auflagen um den Computer
und die Software zu erhalten umfassen, dass AIDS-Medikamente klimatisiert
gelagert werden, gibt es für diese in einem der Lagerräume eine Klimaanlage.
Für die Anschaffung weiterer Klimaanlagen und Bezahlung des Stroms steht kein
Geld zur Verfügung. Also müssen die anderen Arzneimittel leider ohne auskommen.
Das in den 90er Jahren eröffnete Krankenhaus mutet an, als würde es aus den 70ern
stammen und seitdem sein Dasein fristen ohne dass je wieder etwas investiert
wurde. Die Verwaltung arbeitet noch komplett ohne Computer, Rost und Schimmel
tauchen bei unserem Rundgang immer mal wieder auf, Spezialisten gibt es keine,
bis auf einen im Moment dort arbeitenden freiwilligen Orthopäden aus Europa.
Durch die neue Verfassung und Umorganisierung des
Gesundheitssystems in Kenia werden den jetzt eigenständigen Counties vom Staat
Gelder zur Verfügung gestellt, die dann hoffentlich zur Verbesserung der
Strukturen eingesetzt werden. In den nächsten zwei Jahren wird sich einiges
ändern, wurde mir mehrfach versichert. Man wünscht es sich wirklich.
Abschließend blieb uns sogar noch Zeit für einen Spaziergang
am Strand von Diani Beach, einen Sundowner und ein paar Partien Billard in
einer der Bars, die sich zu gar nicht
allzu später Stunde dann plötzlich mit älteren weißen Herren und hübschen knapp
bekleideten jungen dunkelhäutigen Damen füllen, die nach und nach wieder
verschwinden. Auch das gehört zum Paradies (leider) dazu.
Und so ging es am Donnerstag dann wieder Richtung Nairobi.
Ganz entspannt kenianisch erschienen wir aus verschiedenen Gründen erst
fünfzehn Minuten vor Abflug bei strömendem Regen am Flughafen, in der
Überzeugung, dass die kleine Propellermaschine bei diesem Wetter nicht abheben
würde. Aus den Wolken tauchte plötzlich aber doch ein Flieger auf und platschte
auf die Landebahn. Passagiere raus, Passagiere rein („Wie ein Matatu…“, meinte
Julius) und schon hob er wieder ab. Der Flug war nicht halb so turbulent wie
befürchtet, die Flugzeit nur eine Stunde, wie erwartet. Und schon hatte Nairobi
uns wieder. Die restlichen Tage versprechen genauso so ereignisreich zu werden
wie die Wochen zuvor mit diversen Meetings, Terminen, der Auswertung unserer
bisherigen Fragebögen und der Planung des weiteren Vorgehens.
Outreach an Kenias Südküste |